Ein Kommentar von Jochen Ruoff zu einem Artikel auf cicero.de
Liebe Protestant*innen,

heute morgen habe ich einen Artikel aus der Zeitschrift Cicero gelesen, der mich seitdem umtreibt.

Dort wird eine ziemlich vernichtende Kritik an der Evangelischen Kirche geübt, die nach Meinung des Autors Alexander Kissler lediglich nachplappert, was der allgemeine gesellschaftliche Mainstream ansagt.

Im Artikel werden genau die Themen benannt, die auch uns in der EJHN bewegen: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Willkommenskultur. Kritisiert wird dabei, dass die Kirche diese Inhalte nachplappert, verstärk, manchmal mit unfreiwilliger Komik belegt mit ihrer eigenen Sprache. Ein wirklich lesenswerter Artikel, nicht obwohl, sondern weil er auch uns als EJHN meint.

Was fehlt, ist die Konsequenz aus den Erkenntnissen. Das mache ich Herrn Kissler gar nicht zum Vorwurf, denn es ist nicht seine Sache, was die Evangelische Kirche tut. Er schreibt als Außenstehender und Beobachter.

Es liegt also an uns – eher als Protestant*innen denn als Kirchenmitglieder – was wir aus den gewonnen Erkenntnissen folgern.

Zum Ersten: Teilen wir die Kritik ? Ich kann dazu sagen: ja, ich teile sie

Zum Zweiten: Was folgt daraus ?

Es gibt im Artikel Hinweise, was Herrn Kissler fehlt: „Sollte ein Mensch, der seinen Glauben ernst nimmt, aber nicht das, was er sieht, anders sehen, neu sehen, tiefer sehen ? Sein Blick sollte sich schärfen, nicht der Horizont sich bloß erweitern“.

 

Ich denke, wir beten in der Tat zu oft das nach, was die Gesellschaft, die Politik, die Institutionen vorbeten – so als hätten wir keinen eigenen Text und damit auch keinen eigenen Blick. Wir liefern dann zu unseren Aussagen die biblische Begründung nach, wie als späte Legitimation unserer zuvor gewonnen Erkenntnis.

Dabei sind unsere Überzeugungen, die aus unserem Glaube erwachsen  der Blick, mit dem wir die Wirklichkeit neu, scharf, anders und auch parteiisch im Sinne dieses Glaubens sehen. Eine eigene protestantische Sprache finden, die sich nicht reduziert auf die privatisierenden Formeln der vermeintlich Frommen, sondern die die Quelle für unser Engagement in allen Lebensbereichen ist. Diese Sprache ist, wenn es sie einmal gab, verkümmert in Wohlfühlformeln, die möglichst niemanden wehtun und damit seelenlos sind.

Die Konsequenz wäre die Neugier, den Glauben zu entdecken, der Mut, ihn auszusprechen und die Leidenschaft, für ihn in der Welt einzutreten.

Wenn wir also weiter sagen, was alle sagen und  wie es alle sagen, dann werden wir als Kirche und damit auch als Evangelische Jugend in der Kirche überflüssig. Die Wiederentdeckung des Glaubens, die Wiederentdeckung der Sprache des Glaubens wären zwei Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, gerade als Evangelische Jugend

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LINK zum Artikel http://www.cicero.de/salon/mitgliederschwund-der-kirchen-das-ist-die-quittung/59593